Kunstinstallation: ”Hörigkeit”

  • Steine sind alle erstmal sortiert, dann versuche ich mich mal an einer Interpretation. Wie bei jeder guten Besprechung widmen wir uns zunächst einmal (neben einem guten Wein ;) ) dem Offensichtlichen: Was ist zu sehen?

    Auf den ersten Blick erkennt man eine Grundfläche, welche in Tan gehalten ist. Durch die Anordnung der weiteren Details lässt sich eine linke Hälfte und eine rechte Hälfte ausmachen. Links sieht man eine Wasserfläche, an deren Ufer sich leichter Bewuchs befindet. Im Hintergrund erstreckt sich eine Palme. Um das Gewässer sind verschiedene Tierarten versammelt: Ein Affe, ein Frosch, Löwenjunges, ein kleines Krokodil, eine Spinne sowie zwei Schlangen(arten), welche sich auf die Wasserfläche zuzubewegen scheinen. Alle Tiere blicken ins Zentrum des Gewässers. In der rechten Hälfte erkennt man mehrere Personen, welche eine Warteschlange bilden. Das Alter und Aussehen variiert dabei stark, wobei sich aber eine Reihenfolge nach dem wahrscheinlichen Alter der Personen ausmachen lässt. So beginnt sie weit hinten mit einem Säugling, geht dann über ein Kleinkind zum Jugendalter über, bis es dann über die verschiedenen Stufen des Erwachsenseins ins hohe Alter übergeht (insegsamt 7 Stufen). Gehen alle Personen bis hierhin noch aufrecht, kriecht die vorletzte Person nur noch bis in der letzten Stufe nur noch ein Skelett auf dem Boden liegt. Alle Personen halten mind. ein Trinkgefäß in der Hand. In den letzten drei Stufen wird die Kleidung immer abgewetzter, der Kriechende ist quasi nackt. Ungefähr in der Mitte der Grundplatte steht eine Ampel, welche gerade rot anzeigt. Auf ihr sitzt ein roter Papagei.

    Kommen wir nun zum Amüsanten: Was will uns der Künstler sagen? Der Titel des Kunstwerks lautet Hörigkeit. Ergibt sich hieruas schon ein konkreter Hinweis? Was genau wird unter dem Begriff verstanden?

    Zitat von Wikipedia

    Hörigkeit: Heute bezeichnet man damit die Unterwerfung des eigenen Willens unter die Macht einer anderen Person oder einer Gruppe. Diese Unterwerfung kann erzwungen bzw. mehr oder weniger freiwillig erfolgen und ohne dass sich die betroffene Person dessen bewusst sein muss.

    Setzt man also voraus, dass hier eine Person einer anderen hörig ist, lässt sich aus der Anordnung der vorhandenen Personen aus meiner Sicht kein solches Verhältnis untereinander ausmachen, da alle nur nach vorne blicken. Man könnte hier höchstens von einer Art Hackordnung ausgehen, weil alle auf den Vordermann blicken. Da der letzte allerdings bereits verstorben ist, ist anscheinend kein Führer (mehr) vorhanden. Aus diesem Grund gehe ich anstelle einer höheren Person eher von einer höheren Macht aus, welche hier nicht direkt fassbar ist. Da sich die Warteschlange allerdings Richtung Gewässer bewegt und auch alle Tiere auf dieses blicken, symbolisiert dieses wohl die höhere Macht. Doch wie gestaltet sich diese? Ist sie gewaltvoll? Hat sie ein Ziel? Warum Wasser als Symbol? Vielleicht geht es auch nicht um das Wasser an sich. Durch die Gesamtgestaktung kann man darauf schließen, dass das Szenario in der Wüste stattfindet. Demzufolge wäre das Gewässer eine Oase. Der Begriff selber bedeutet schon "Wohnsitz" bzw. "Unterkunft", also einen Ort, den man in der unwirtlichen Wüste unbedingt erreichen möchte, da einem die Wüste als "böser" Ort an sich schon die Suche nach der Oase aufzwingt. Wenn man die Oase weiter deuten möchte, kann sie auch allgemein für einen Ort der Ruhe, der Erholung oder der friedlichen Idylle sein. Demzufolge ist auch die Wüste als solches nur ein stellvertretendes Symbol für (den Menschen) bedrohliche Verhältnisse. Im Zusammenspiel mit der Oase als Zufluchtsort (und Gegenpol) und der Warteschlange als angenommenes Symbol für den Lebensweg der Menschen, sind hier verschiedene Deutungen möglich: Das Leben im Allgemeinen mit seinen natürlichen Widrigkeiten oder Bedingungen durch besonderes unangenehme Lebenssituationen. Wenn sich aber nun diese Interpretation - Sehnsucht des Menschen nach Ruhe/Idylle im Laufe seines Lebens - durchsetzt, wird mit dem Titel des Kunsterks hier eine negative Richtung mitgegeben: Schließlich will eigentlich niemand blind hörig sein, ob nun bewusst oder nicht. Doch stimmt die Symbolik der Oase mit der Sehnsucht nach Idylle überhaupt überein? Wie verhält es sich mit den anderen Potagonisten, den Tieren? Diese haben anscheinend kein Problem, die Oase zu erreichen. Da hier Tiere unterschiedlichen Alters dargestellt sind, erlaubt sich ein Zusammenhang mit der Warteschlange des Menschen. Dieser wird aber nicht nur durch seinen vorzeitigen Tod vom Erreichen der Oase abgehalten, nein danach steht er auch noch vor einer roten Ampel (deren rot durch den roten Papageien auf ihr nochmal verstärkt wird), welche als abweisendes Symbol gedeutet werden kann, allerdings auch direkt mit dem Tod in Zusammenhang stehen könnte, also nicht unbedingt direkt das Weiterkommen verhindert, sondern den "Stopp" des Menschen anzeigt - "Für ihn war hier der Weg zu Ende, die Ampel stand auf rot."

    Aber wie verhält sich die angeommene Sehnsucht des Menschen nach Idylle mit dem Trinkgefäß in der Hand? Kann man Idylle verzehren oder aufsparen? Vielleicht wird damit auch das menschliche Irren symbolisiert, seine Umwelt und sein Schicksal total bestimmen zu können. Im Zusammenspiel mit der Sehnsucht nach Idylle kommt hier eine Tragik zum Tragen, welche sich in folgendem Spruchvers verdeutlicht:

    Du kennst die Blumen nicht, die duften.

    Du kennst nur arbeiten und schuften.

    Am Ende lacht dir nur der Tod,

    kaputtmalocht, du Idiot.

    Und somit möchte ich meine Analyse mit folgendem Versstück beenden:

    Zitat von Mr. Hurley und Die Pulveraffen

    Wenn nichts mehr bleibt, dann bleibt ja immer noch uns in Würde zu betrinken.